Der Bundesgerichtshof erweitert Risikoaufklärungspflichten bei offenen Immobilienfonds, um das Anteilsrücknahmerisiko

Von Zeit zu Zeit ist es dem Bundesgerichtshof ermöglicht grundlegend über bestimmte Risiken anlässlich einer Anlageberatung zu entscheiden und ob über diese auch dann aufgeklärt werden muss, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit gering ist. Diese Risiken sind dann auch solche, die von den anderen Gerichten (Amts-, Land- und Oberlandesgerichten) bei Schadensersatzprozessen meist problemlos anerkannt werden. Risiken, über die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hat, finden in den Gerichtsurteilen hingegen nur selten und sehr differenziert Niederschlag. Bisher hat der Bundesgerichtshof etwa zum Total- und Emittentenrisiko eindeutig entschieden, dass hierüber bei entsprechenden Kapitalanlagen aufzuklären ist. Dieser Reihe fügt sich jetzt ein weiteres Risiko hinzu.

Zumindest bei der Kapitalanlageberatung hinsichtlich offenen Immobilienfonds ist den beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2014 Az. XI ZR 477/12 und Az. XI ZR 130/13 nach immer und ungefragt darüber aufzuklären, dass die Möglichkeit besteht, dass der Fonds die Anteilsrücknahme aufgrund § 254 KAGB bzw. für Altfälle des § 81 InvG a.F. aussetzen kann. Geschieht dies nicht, kann der betroffene Anleger Schadensersatz verlangen.

Diese Aussetzung der Anteilsrücknahme können offene Immobilienfonds immer dann beschließen, wenn die notwendige Liquidität zur Rücknahme der Anteile nicht vorliegt oder die Rücknahme den ordentlichen Geschäftsbetrieb beeinträchtigen würde. Der Hintergrund für diese Regelung ist der, dass es um Immobilien geht und diese meist nicht nach Belieben kurzfristig veräußert werden können zumindest nicht ohne erhebliche Verluste. Daher gab der Gesetzgeber den Betreibern offener Immobilienfonds die Möglichkeit sich Zeit zu verschaffen, Teile des Sondervermögens (hier der Immobilien) in einem geordneten Rahmen zu verwerten, um die bestehenden Rückzahlungspflichten bedienen zu können.

Für Anleger, denen dieses Investment allerdings mit der jederzeit Verfügbarkeit des Geldes angepriesen und verkauft wurde und die ggf. kurzfristig Geld benötigen, ist diese Aussetzung jedoch ein großes Problem. Zwar lassen sich offene Immobilienfonds meist auch an der Börse handeln und verkaufen. Jedoch hat eine Aussetzung der Anteilsrücknahme nicht selten großen Einfluss auf den Kurs der Anteile. Daher entschied der Bundesgerichtshof jetzt zu Recht, dass der Anleger dies nicht hinnehmen muss, zumindest dann nicht, wenn er nicht über dieses Risiko aufgeklärt wurde. Sollten Anleger demnach bei ihrer Anlageberatung nicht über dieses Aussetzungsrisiko aufgeklärt worden sein, haben sie nun gute Chancen Schadensersatzansprüche gegen ihren Anlageberater bzw. anlageberatende Bank geltend zu machen.

Dabei wird regelmäßig Schadensersatz Zug und Zug gegen Rückübertragung der offenen Immobilienanteile verlangt. Dies bedeutet, dass Anleger Anspruch auf das von ihnen beim Kauf gezahlte Kapital haben. Zusätzlich können entgangenen Zinsgewinnen geltend machen, wenn der Anleger belegen kann, dass er das Geld andernorts gewinnbringend investiert hätte.

Hier ist zu beachten, dass Ausschüttungen, die der Fonds über die Haltedauer des Anlegers an diesen gemacht hat, regelmäßig von der Forderung gegenüber dem Berater bzw. der Bank abzuziehen sind. Der Anleger hat einen Anspruch darauf, dass er so gestellt werden würde, wie wenn er das angegriffene Geschäft (kauf der offenen Immobilienanteile) nicht getätigt hätte, allerdings darf er auch nicht besser gestellt werden.

In jedem Fall ist immer der Einzelfall zu prüfen ob und was für ein Anspruch dem Anleger zusteht.

Es ist in jedem Fall erfreulich, dass der Bundesgerichtshof nun die Rechtsprechung hinsichtlich offener Immobilienfonds vereinheitlicht hat und es keinen Auslegungsbedarf mehr gibt, ob ein Berater hätte aufklären müssen oder nicht und ob ein Schadensersatzanspruch dadurch entstanden ist.