Der III. BGH-Senat hat mit seiner Entscheidung vom 20.05.2021 – III ZR 126/19 ausgeführt, dass irreführende oder ungünstige Angaben in den AGBs die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung eines Vertrages beeinträchtigen können.
Vorliegend hatte der Unternehmer die Muster-Widerrufsbelehrung nach der Anlage 1 zum Art 246a EGBGB verwendet. In den weiteren AGBs des Vertrages hatte das Unternehmen allerdings weitere Angaben zum Thema Wertersatz im Falle des Widerrufs gemacht.
Verwendet der Unternehmer das jeweilige gesetzliche Muster der Widerrufsbelehrung, wird er in der Regel von der sogenannten Gesetzlichkeitsfiktion geschützt. Diese besagt, dass sofern der Verwender das gesetzliche Muster unverändert und zutreffend verwendet hat, [unwiderleglich] vermutet wird, dass der Verbraucher hinreichend über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
Im vorliegenden Fall hätte sich das Unternehmen daher eigentlich auf diesen Musterschutz berufen können. Der BGH sah dies jedoch anders.
„Jedoch kann sich der Unternehmer auf die Schutzwirkung dieser Vorschrift nicht berufen, wenn der Verbraucher durch eine weitere – formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße – Belehrung irregeführt oder von einer rechtzeitigen Ausübung seines Rechts abgehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 – IV ZR 71/14, juris Rn. 11 zum Widerspruchsrecht nach § 5a VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung).“
BGH20.05.2021 – III ZR 126/19
Vorliegend erfolgten in den AGBs des Vertrages weitere Ausführungen dazu, welchen Wertersatz der Verbraucher im Falle eines Widerrufs zu leisten hat. Es wurden Ausführungen zu der Berechnung dieses Wertersatzes gemacht, die sich nicht mit den gesetzlichen Vorgaben deckten. Der BGH schloss daraus, dass damit nicht nur der Musterschutz entfällt, sondern der Verbraucher in die Irre geführt wird und potenziell vom Widerruf abgehalten wird. Damit ist die vorliegende Widerrufsbelehrung, trotz der Verwendung des gesetzlichen Musters, aufgrund der weiteren Ausführungen im Vertrag unwirksam.
Mithin konnte der Verbraucher nicht nur den Widerruf erklären, sondern er musste auch keinen weiteren Wertersatz nach Maßgabe des Vertrags leisten.
Dies ist umso mehr bemerkenswert, weil der XI. Senat des BGHs dies bisher durchaus anders bewertet hat. Der XI. Senat führt u.a. in seiner Entscheidung vom 09.04.2019 – XI ZR 511/18 aus, dass es in seiner Rechtsprechung vermeintlich geklärt wäre, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung nicht durch undeutliche an andere Stelle stehende, nicht drucktechnisch hervorgehobene Angaben konterkariert werden kann.
Normalerweise muss ein BGH-Senat der eine Rechtsfrage abweichend von einem anderen Senat beurteilen will zunächst bei diesem Nachfragen und ggf. sodann diese Frage dem großen Senat des BGHs nach § 132 GVG vorlegen.
Der III. Senat weicht dem aus, indem er seine Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 20.05.2021 – III ZR 126/19 mit der XI. Senats abgrenzt. Nach der Lesart des III. Senates handelte es sich in seinem Fall um irreführende Angaben im Vertrag, die direkt Bezug auf die Widerrufsbelehrung genommen haben. Anders hingegen sei es in den Entscheidungen des XI. Senates. Hier ginge es bisher nur um weitere Angaben im Vertrag, die nur mittelbar Auswirkungen auf das Widerrufsrecht hatten und nicht direkt darauf Bezug nahmen.
Es bleibt offen wie der XI. Senat darauf reagieren wird. Bisher konnte in die Rechtsprechung des XI. Senates interpretiert werden, dass eine Widerrufsbelehrung, die sich an das gesetzliche Muster hält, auch vom Musterschutz profitiert. Unabhängig davon, was an anderer Stelle im Vertrag steht (s.o.).
Mit der jetzt vom III. Senat ergangenen Entscheidung vom 20.05.2021 – III ZR 126/19 eröffnet sich hingegen erneut weiterer Spielraum für die Bewertung von Widerrufsbelehrung, einem ggf. noch fortbestehenden Widerrufsrecht und einem ggf. nicht zu leistenden Wertersatz im Falle des Widerrufs.