Das Landgericht Kiel (LG Kiel) hat in einem Urteil vom 04.11.2022 – 12 O 198/21 einer Klage auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung des Bankkunden stattgegeben.
In dem Verfahren ging es um einen Immobiliendarlehensvertrag, der im Dezember 2016 geschlossen wurde. Der Darlehensnehmer verkaufte die Immobilie 2021 und führte das Darlehen zurück. Die Bank verlangte hierfür eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 14.336,43 € zzgl. weiterer Auslagen.
Das LG Kiel urteilte in seiner Entscheidung vom 04.11.2022 – 12 O 198/21, dass die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 14.336,43 € zzgl. Auslagen dem Kunden erstatten muss.
Im Ergebnis konnte das Immobiliendarlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zurückgeführt werden.
Das LG Kiel führt aus, dass die Bank nicht hinreichend über die Modalitäten einer ggf. anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung im Darlehensvertrag informiert hätte. Die Bank schrieb hier u.a.:
„Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung (Ablösungsentschädigung) durch die Sparkasse erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dies ist derzeit die sog. „Aktiv/Passiv-Methode“. Durch diese Berechnungsmethode wird die Sparkasse so gestellt, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre.“ LG Kiel 04.11.2022 – 12 O 198/21
Das LG Kiel meint in seiner Entscheidung vom 04.11.2022 – 12 O 198/21 dazu, dass dies nicht hinreichend deutlich macht, für welchen Zeitraum die Bank im Rahmen der Vorfälligkeitsentschädigung für den Zinsverlust kompensiert wird. Mithin liegt ein Verstoß gegen § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor und der Bank steht keine Vorfälligkeitsentschädigung zu.
Vorliegend war der Darlehensvertrag mit einer Zinsbindungsfrist von 15 Jahren versehen. Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann allerdings jeder Darlehensnehmer ein Darlehn mit Zinsbindung reguläre 10 Jahre nach Vollauszahlung mit einer Frist von 6 Monaten kündigen. In diesem Fall wird auch keine Vorfälligkeitsentschädigung fällig, selbst wenn die ursprüngliche Zinsbindungsfrist länger ist (z.B. 15 oder 20 Jahre).
Dies Limitiert den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung der Höhe nach. Der Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB ist dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch. Die Bank kann daher nicht mehr verlangen, als ihr an Schaden tatsächlich entstanden ist. Damit ist das anfänglich geschützt Zinsinteresse der Bank aufgrund der Möglichkeit der Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf 10 Jahre und 6 Monate beschränkt. Dies unabhängig von einer ggf. längeren Zinsbindungsfrist. Sollte die restliche noch laufende Zinsbindungsfrist freilich bereits kürzer sein, limitiert dies die tatsächliche Höhe des geschützten Zinsinteresses der Bank.
Aufgrund der hier vorliegenden Formulierungen der Bank konnte der Darlehensnehmer, so das LG Kiel weiter, nicht erkennen, ob die Vorfälligkeitsentschädigung aufgrund der Regelungen des § 489 BGB limitiert ist oder sich auf die volle Laufzeit der Zinsbindung bezieht (vorliegend 15 Jahre).
Das Gericht ging mithin davon aus, dass die Formulierungen unzureichend sind.
Sind die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft, so steht der Bank im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Immobiliendarlehensvertrages entsprechend § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB gar keine Vorfälligkeitsentschädigung zu.
Vorliegend hatte damit die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung zu Unrecht vom Darlehensnehmer verlangt und musste diese folgerichtig wieder zurückzahlen.
Das Urteil des LG Kiel steht im Einklang von weiteren Entscheidungen wie etwa dem des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 01.07.2020 — 17 U 810/19.
Darlehensnehmer die sich mit dem Gedanken tragen ihren Immobiliendarlehensvertrag vorzeitig abzulösen, sollten daher darüber nachdenken eine ggf. von der Bank geforderte Vorfälligkeitsentschädigung genau zu prüfen oder rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.
Sollten die Angaben im Darlehensvertrag nicht mit den Anforderungen des § 502 Abs. 2 BGB übereinstimmen, besteht kein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist der Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung dann ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.
Der BGH hat diese Gesetzesauslegung dem Grunde nach in seiner Entscheidung vom 28.07.2020 — XI ZR 288/19 bestätigt.
Betroffen hiervon sind Immobiliendarlehensverträge die nach der entsprechenden Gesetzesänderung des § 502 BGB geschlossen wurden. Maßgeblich ist das Datum des Vertragsschlusses. Erst mit der Gesetzesänderung zum 21.03.2016 wurden in den Anwendungsbereich des § 502 BGB auch Immobiliendarlehen ausgenommen.