Vorsatzanfechtung von im Kontokorrent geführten Girokonten (BGH IX ZR 162/16)

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 30.04.2020 – IX ZR 162/16 ausgeführt, dass sich eine Bank der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO ausgesetzt sehen kann, wenn Sie nur noch selektive Verfügungen des Schuldners über das Girokonto zulässt.

Dies kann zur Folge haben, dass die Bank aufgrund der sodann unwirksamen Aufrechnungen entsprechend § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO alle eingegangenen Zahlungen auf das Konto, ungeachtet noch erfolgter Abbuchungen, an den Insolvenzverwalter auszukehren hat.

Der BGH führt hierzu aus, dass die Bank ihre privilegierte Stellung als bloße Zahlungsstelle verliert, wenn sie bei der Ausführung von Zahlungsanweisungen des Schuldners Sonderinteressen verfolgt und damit in eine angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden ist.

Die Bank kann sich sodann nicht darauf berufen, dass es der Schuldner oder Dritte sind, die Verfügungen über das Girokonto veranlassen und sie zur bloßen Ausführung verpflichtet sei.

Erlangt eine Bank Kenntnis von einer drohenden oder bereits vorliegenden Zahlungsunfähigkeit und steht damit ein Insolvenzverfahren im Raum, kann es für die Bank zu enormen wirtschaftlichen Folgen kommen, wenn sie den Zugriff des Schuldners auf das im Kontokorrent geführte Girokonto nach eigenem Ermessen beschränkt.

Damit dürfte sie sich im Rahmen des nun ergangenen Urteils des BGHs vom 30.04.2020 – IX ZR 162/16 dem Vorwurf der Mitwirkung an einer Gläubigerbenachteiligung ausgesetzt sehen und damit einer Vorsatzanfechtung aller vorgenommenen Verrechnungen.

Normalerweise ist die Bank im Rahmen der Anfechtung als neutrale Zahlungsstelle privilegiert. Der BGH unterstellt hier, dass die Bank vertraglich verpflichtet ist den Schuldner über sein Konto unbeschränkt verfügen zu lassen. Erfolgen daher keine Einschränkungen, kann der Bank regelmäßig bei einzelnen Buchungen kein Vorsatz bzw. Gläubigerbenachteiligung vorgeworfen werden.

In diesen Fällen bleibt es bei der möglichen Kontokorrentanfechtung des Insolvenzverwalters nach § 131 InsO. Hier greift die Saldotheorie. Die Bank muss nur dann etwas an den Insolvenzverwalter auskehren, wenn sich der Saldo des im Kontokorrentgeführten Girokontos im Anfechtungszeitraum zugunsten der Bank verschoben hat.

Anders bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO im Rahmen der jetzt ergangenen BGH-Rechtsprechung vom 30.04.2020 – IX ZR 162/16. In diesem Fall wäre jede einzelne Verrechnung im Kontokorrent des Girokontos anfechtbar und die Aufrechnung unwirksam. Daraus resultiert eine doppelte Belastung der Bank.